Subprior Pater Ulrich lebt und arbeitet an einem der beliebtesten Reiseziele in Bayerisch-Schwaben: im Prämonstratenser-Kloster Roggenburg. Doch nicht nur läutende Kirchenglocken wecken bei Ulrich Keller die Lebenslust. Er ist auch passionierter Motorradfahrer. Sobald es seine Zeit zulässt, steigt der Geistliche in seine Motorradkluft und braust mit seiner Maschine vom Klostergelände aus durch die malerische Landschaft Bayerisch-Schwabens. Für ihn ist diese Leidenschaft ein kontrastreicher Gegenpol zum entschleunigenden Leben hinter geschichtsträchtigen Klostermauern. Im goldenen Herbst begibt sich der lässige Ordensbruder besonders gerne auf eine zweirädrige Spritztour über die Landstraßen. Erfahre im Interview, wo es ihn dabei hinzieht und an welchen Orten ihm einfach das Herz aufgeht.
Lieber Pater Ulrich, Ihr Interesse vereint Kirchenglocken mit Motorenbrummen. Was fasziniert Sie am Motorradfahren?
Die Frage klingt zwar einfach, ist aber gar nicht so einfach zu beantworten. Mein Beruf beinhaltet viel Verwaltungs- und Organisationsarbeit, was mich hauptsächlich vor dem PC sitzen lässt. Das Motorrad bietet mir die Chance, nach draußen zu kommen und meine Nase – buchstäblich – in den Wind zu stecken. Frischluft putz mein Hirn auf wohltuende Weise durch. Normalerweise ist mein Kopf voller Ideen für die nächste Predigt, für Seelsorgegespräche, Krisenbewältigung, Verwaltungsaufgaben … Natürlich beschäftigt mich auch das, was ich in der Pfarreiengemeinschaft erlebe: Menschen in sehr freudigen, aber auch sehr tragischen Situationen. Die gehen mir nicht so schnell aus dem Kopf.
Wenn ich aufs Motorrad steige, muss ich mich aufs Fahren konzentrieren. Da hat nichts anderes Platz, so dass das Gedankenkarussell eine Weile stillstehen darf. Mein Kopf wird dadurch frei und ich habe wieder Platz für neue/andere Gedanken. Und dann ist da natürlich das Gefühl, durch herrliche Natur zu fahren. Der klischeehafte „Rausch der Geschwindigkeit“ klingt schnell nach hirnlosem und lebensgefährlichem Rasen. Mit 125 PS unter dem Hintern durch die Landschaft zu düsen ist ein Gefühl, das ist nicht beschreiben kann – das muss man einfach erleben. All das zusammen macht ungeheuer viel Spaß.
Sie lieben das Leben in Bayerisch-Schwaben. Wohin drehen Sie gerne mal eine Runde?
Es gibt Biker, deren Herz einen Purzelbaum macht, wenn sie einen Pass mit Dutzenden Kehren rauf- oder runterfahren können. Persönlich schätze ich das lockere Cruisen auf Straßen, die durch sanfte Kurven führen mehr. Keine technischen Herausforderungen, sondern eher entspanntes Fahren mit Genusspotenzial.
Gerne fahre ich von Roggenburg aus über die kleinen Dörfer und Weiler in Richtung Krumbach, Ursberg, Kirchheim, Schwabmünchen, Buchloe, Ottobeuren, Katzbrui (kennt kaum jemand, ist aber herrlich für eine kleine Stärkung), Mindelheim, Babenhausen und wieder zurück.
Oder einfach über kleine Dörfer Richtung Augsburg (die „Westlichen Wälder“ sind nicht nur für Fahrradfahrer ein lohnendes Ziel). Roggenburg, Ellzee, Ried, Dinkelscherben, Zusmarshausen, Welden, Wertingen, Glött, Burgau und dann durchs Kammeltal zurück.
Oder ins Allgäu: Ottobeuren, Kempten, Sulzberg, Immenstadt, Missen-Wilhams, Buchenberg, Wiggensbach, Altusried, Grönenbach, Memmingen, Boos, Buch und zurück nach Roggenburg.
Der Reiz liegt in den kleinen Ortsverbindungen jenseits der Bundesstraßen. Das Schöne an unserer Gegend ist, dass ich mich einfach treiben lassen kann. Wenn ich irgendwann den Faden verloren habe, macht das nichts – es findet sich schnell wieder eine größere Straße, die das Navi findet, oder die mir zumindest wieder eine grobe Orientierung ermöglicht.
Warum sollten man am Kloster Roggenburg unbedingt anhalten?
Was erwartet Motorrad-Gäste in und um das Kloster?
Wer in Roggenburg auf Biker-typische Infrastruktur hofft, den muss ich enttäuschen. Wir haben eine herrliche Klosterkirche (die trotz der aktuell andauernden Renovierungsarbeiten immer noch genug zu Sehen bietet), einen Klostergasthof und den Klostergarten, der groß genug ist, um sich einfach mal die Beine vertreten zu können. In jedem unserer Dörfer gibt es Gastronomie (bitte unbedingt die jeweiligen Öffnungszeiten beachten – wir sind auf dem Land, wo wir es schätzen, dass es auch mal Ruhetage gibt).
Wer länger bleiben will, kann gerne einen der vielen Wanderwege in Betracht ziehen. Jedes Dorf hat hier seine eigene, kleine, aber definitiv sehenswerte Kirche und/oder Kapelle. Und wenn jemand ein technisches Problem mit seiner Maschine hat, der findet eine KFZ-Werkstatt, die vielleicht helfen kann, und eine Tankstelle. Aber Vorsicht: Der Sonntag ist für die Menschen hier tatsächlich noch ein Ruhe- und Familientag.
Weiterlesen erwünscht? Wir verraten dir noch mehr über das ungewöhnliche Leben von Pater Ulrich aus Roggenburg.
Titelbild: Trykowski