Oettingen, die geteilte Stadt

von Gastbeitrag
Heimatmuseum Oettingen

…von Botschafter-Familie Walter:
Was sich für uns heute sehr kurios anhört, war in Oettingen jahrhundertelang Alltag: die strikte Trennung der beiden großen christlichen Konfessionen wurde hier in einer fast unvorstellbaren Konsequenz gelebt. Am verwunderlichsten aber daran: es ging dabei mehr oder weniger friedlich zu! Dies dokumentiert eindrucksvoll die Sonderausstellung „Geteiltes Miteinander“ des Heimatmuseums Oettingen, das wir kürzlich besuchten.

Heimatmuseum Oettingen

Luther-Exponate

Was es für die Menschen damals bedeutet haben muss, so gelebt zu haben, wird mit Bildern, Infotexten und Original-Exponaten dargestellt, auch räumlich plakativ getrennt: links vom Eingang die evangelische Seite, rechts im Erdgeschoss die katholische. In der Mitte dann der lange Weg zur Versöhnung und die Gemeinsamkeiten bis zur ökumenischen Selbstverpflichtungserklärung aus neuerer Zeit, die jeder Besucher durch seine Unterschrift auch bekräftigen kann, nachdem, und das war für uns auch ein Schlüsselerlebnis, noch jeder die Möglichkeit hat, die Ausstellung aktiv mitzugestalten auf der „Wand der Vorurteile“: unbeschriftete Magnetkärtchen liegen bereit, auf die jeder sein „typisch evangelisch/ typisch katholisch“-es Vorurteil schreiben und auf die jeweilige Wandseite pinnen kann – und das nach so viel Input aus der Ausstellung, bei der einem stellenweise nur Kopfschütteln übrig blieb! Da schwinden die vermeintlichen Differenzen im Kopf doch schnell dahin und unser Kärtchen blieb leer…

Heimatmuseum Oettingen

Sammelsurium

Es sollten noch viel mehr Menschen diese Ausstellung besuchen, um für die Zukunft aus der Vergangenheit zu lernen, wie es, trotz gegensätzlicher Ansichten, gelingen kann, untereinander nicht gegeneinander, sondern miteinander nebeneinander zu leben!

Auch unsere Kinder haben den Sinn dessen verstanden, obwohl sie mehr damit beschäftigt waren, versteckte kleine Engelchen in der Ausstellung zu suchen und die Buchstaben dabei zu einem Lösungssatz zusammen zu puzzeln.

Heimatmuseum Oettingen

Tor zur Altstadt

In den beiden oberen Etagen des Museums, beide über einen Aufzug auch barrierefrei erreichbar, befindet sich die Dauerausstellung. Ein Rundgang führt von der Entstehung des Ries über die römische und später alamannnische Besiedlung, über die Zeit als fürstliche Residenzstadt hin in das Leben der Menschen in der Stadt und Umgebung mit ihren kulturellen Besonderheiten. Es ist schön, dass es einige Mitmachstationen gibt, seien es ein altes Orgel-Manual, Hör-Stationen oder Kleidung, die anprobiert werden kann. Dadurch war es auch für die Kinder ansprechend.

Das Sammelsurium von früheren Alltagsgegenständen unterm Dach im begehbaren Depot ist wirklich eine kleine Fundgrube von längst durch moderne und effiziente Technik verschwundenen Dingen, die einstmals sogar Luxus waren, wenn ein Haushalt sie überhaupt besaß: so staunten wir z.B. über einen „Eisschrank“ zum Kühlen von Lebensmitteln, für den es tatsächlich täglich aufs Neue nötig war, sich bei der Brauerei echtes Eis zu besorgen, und auch das geschmolzene Wasser wieder zu entsorgen. Wie dankbar sind wir doch wieder mal geworden für elektrische Kühlschränke und Rollenkoffer-Trolleys statt Reise-Kleidertruhen!

Heimatmuseum Oettingen

Begrüßungs-Inschrift

Das geringe Eintrittsgeld (Erwachsene 2,50 Euro, Kinder noch weniger) ist hier sehr gut investiert. Geöffnet ist leider nur mittags von 14 – 17 Uhr und auch nur von Mittwoch bis Sonntag. Die Sonderausstellung läuft noch bis zum 01.11.2017 (siehe auch www.heimatmuseum-oettingen.de).

Um uns die Auswirkungen der konfessionellen Teilung auf das Stadtbild persönlich anzuschauen, sind wir nach dem Museumsbesuch noch durch die schöne Altstadt gebummelt und haben – auf der ehemals katholischen Straßenseite – ein Eis vom Café auf der ehemals evangelischen Seite gegessen.

Bis zum nächsten Mal, eure Familie Walter

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