…von Botschafter-Familie Walter:
Vom Rohstoff zum fertigen Produkt, vom Mittelalter zur Moderne und das alles in wenigen Stunden und auf nur einer Ebene, das kann man wohl nur im Staatlichen Textil- und Industriemuseum Augsburg, kurz: tim, erleben.
Von außen ist das Museum in der ehemaligen Kammgarnspinnerei noch als Überrest aus den Anfängen der Industriealisierung zu erkennen, innen jedoch zeugen davon höchstens noch einige original erhaltene Ausstellungsstücke und Maschinen.
Die Ausstellung selbst baut logisch aufeinander auf. Es beginnt mit dem Kennenlernen der Materialien, die schon früher den Menschen zur Verfügung standen, um daraus Kleidung herzustellen (Wolle, Seide, Sisal, Flachs, Baumwolle). Auf Knopfdruck wird in informativen Kurzfilmen deren Gewinnung und Weiterverarbeitung dargestellt. Auch „Fühlproben“ davon gibt es, und Stationen, an denen wir selbst mal Rohwolle kämmen und spinnen konnten.
Weiter geht es mit den Anfängen der Weberei in Heim- und später in Fabrikproduktion, mit engem Bezug zur Entwicklung von Augsburg zur führenden Textilstadt und interessanten Einblicken in die Geschichte der damit verbundenen Familiendynastien. Dabei spricht die Ausstellung durchweg auch soziale und wirtschaftliche Probleme, die mit den Umwälzungen und Modernisierungen einhergingen, offen und verständlich an, so dass tatsächlich bei den Besuchern ein Verständnis der tieferen Zusammenhänge erzeugt wird, und das schon bei den Kindern. Diese konnten an der Kasse iPods ausleihen, die zu den einzelnen Abschnitten kindgerecht und von Kindern gesprochen das erzählten, was die Erwachsenen an den Infotafeln selbst lesen mussten (oder in einer Erwachsenenversion als App auf dem Handy installieren konnten; hat bei uns aber leider nur stellenweise funktioniert).
Interaktive Stationen im Museum
Und wenn wir Großen mal etwas länger vor den Maschinen oder Beschreibungen standen, konnten die Kinder damit schon selbständig zur nächsten Station weitergehen und dort z.B. verschiedene Stoffarten mit der Lupe ganz genau beobachten und Alltagssituationen zuordnen, sich an der „Strickliesel“, im weben oder flechten versuchen, Muster mit Stempeln entwerfen oder sich mittels PC und Projektor als Designer an überdimensionalen von der Decke hängenden Kleidern betätigen – ein Riesenspaß übrigens auch für die Mama (wann kann man schon mal aus so einer Fülle unterschiedlichster Muster und Entwürfe auswählen!).
Weil alles auf einer Ebene angeordnet ist, kann man sich auch nicht wirklich aus den Augen verlieren. Allerdings könnte man sich in den über 1,3 Millionen Originalmustern in den Musterbüchern verlieren, ein Spiegel der jeweiligen Zeit, Gesellschaft, Handwerkskunst und Kunstströmung, wenn sie nicht hinter Glas wären. Aber da gib es ja noch die Wände voller Stoffballen, die den beinahe unwiderstehlichen Drang auslösen, daheim die Nähmaschine mal wieder abzustauben und selbst kreativ zu werden…
Viel erfahren über die Geschichte der Kleidung
Überhaupt, die Mode, sie nimmt einen weiteren großen Bereich der Ausstellung ein: von einfachsten Wirkstoffen für die Alltagskleidung der armen Bevölkerung über die Entwicklung der Färbe-, Druck- und Prägetechniken und aufwändigster Stickereien für vornehme Tuche oder schließlich Massenwaren bis hin zu multifunktionalen Hightechmaterialien aus Kunstfasern, die nicht nur in unserer Outdoorkleidung sondern auch der Raumfahrt, der Medizintechnik und im Autobau Verwendung finden. Dazu passend und als Ausblick in die Zukunft findet aktuell eine Sonderschau über „Carbon“ im tim statt, die allerdings ebenso wie die Maschinenvorführung separat bezahlt werden muss.
Für hungrige Entdecker: Restaurant nunó im Museum
Wer nach all den Informationen erstmal eine Stärkung braucht, muss das Museum nicht verlassen, denn im Eingangsbereich befindet sich neben einem kleinen Shop mit Textilerzeugnissen oder Fachliteratur zu den Ausstellungsthemen noch das Restaurant „nunó“ mit einer sehr ansprechenden Karte.
Das innenstadtnahe tim ist aus mehreren Richtungen gut ausgeschildert, verfügt aber leider nur über eine sehr begrenzte Anzahl von Parkplätzen (darunter auch einer mit einer E-Ladestation für Elektroautos). Abhilfe kann da das große Shopping-Center in der Nachbarschaft mit großem Parkdeck schaffen, das im Anschluss an so viel Kulturgeschichte noch zum Bummeln und Eisessen einlädt.
Geeignet ist das tim unserer Meinung nach für kleine und große Leute ab ca. 7 Jahren, da die Kleineren noch nicht das nötige Verständnis, Geduld oder die Fingerfertigkeit zum Selbermachen aufbringen.
Leider herrscht in der Ausstellung Fotografierverbot, weshalb wir euch nur Bilder vom Außenbereich zeigen können. Ihr müsst also schon selbst hingehen und entdecken! Wir wünschen euch viel Spaß dabei, bis zum nächsten Mal, eure Familie Walter