…von Botschafter-Familie Walter:
Der Name „Fugger“ war uns im Zusammenhang mit der Stadtentwicklung Augsburgs schon ein Begriff, aber bei der Aussicht, ein extra Museum hierzu anzuschauen, waren die Kinder zunächst nicht sehr begeistert. Und daher war es für sie auch nicht so schlimm, dass wir ein wenig zu früh vor Ort waren und es noch nicht geöffnet hatte (Einlass erst ab 10 Uhr).
Um die Zeit zu vertreiben, nutzten wir den sonnigen Morgen zu einem Spaziergang durch die kleinen Gassen rund ums Museum und entdeckten auf diese Weise den kleinen „Archäologischen Garten“ von Augsburg. Hier wird auf Infotafeln und anhand von einzelnen Nachbauten bzw. Fundresten auf Deutsch und Englisch einiges zur römischen Vergangenheit von „Augusta Vindelicum“,
ehemals Hauptstadt der Provinz Raetia, dargestellt und erklärt und für die Kinder gibt es auf jeder Tafel eine kleine Rätselfrage zu lösen. Das war schon sehr viel mehr nach ihrem Geschmack, zumal die Römer ja „…viel spannender“ sind als die Fugger!
Sie haben ihre Meinung später nochmal überdacht, zunächst aber blieb immer noch ein bisschen Zeit, und da der Dom nun mal auch so nahe war… haben wir auch diesen noch besichtigt, ein ziemlich beeindruckender romanisch-gotischer Sakralbau.
Auf den Spuren der Fugger und Welser
Dann aber öffnete das Museum und uns öffnete sich damit auch eine ganz andere Welt und Museumserfahrung, so etwas haben wir bislang noch nirgends erlebt! An der Kasse bekam jeder von uns ein kleines „Pfeffersäckchen“, eine Anspielung auf das kostbare Gewürz, das die Fugger und Welser im 16. Jahrhundert nebst vielen anderen Kostbarkeiten auf ihren Handelsflotten importierten. Im Säckchen befindet sich ein Chip, und beim Rundgang durch die 3-geschossige Ausstellung gibt es immer wieder Kreise an der Wand oder neben Exponaten und Schautafeln mit einem Bild des Säckchens darauf.
Wenn man das echte kleine Säckchen dann dort hinhält, hört man eine Erzählung zur Darstellung, oder die Bilder werden „lebendig“ und man ist mitten drin im damaligen Geschehen, authentisch nachgestellt mit Schauspielern, oder es ertönt Musik oder typische Geräusche der Tätigkeiten – sehr faszinierend, nicht nur für die Kleinen, die ihre eigene, kindgerechte Version hören und sehen.
Schon das interaktive übergroße Buch am Eingang deutet darauf hin, dass dies kein gewöhnlicher Museumsbesuch und alles andere als langweilig werden wird. Man fühlt sich wirklich „mitten drin“. Und dazu gibt es noch jede Menge Mitmachstationen, denn die Kinder bekamen zu ihrem Säckchen auch noch jeweils ein „Handelsbuch“ mit vielen kleinen Aufgaben zu den Themen auf den 4 Ausstellungsebenen (inkl. Keller, in dem – folgerichtig – der Bergbau präsentiert wird, die Grundlage und eine der wichtigsten Rohstoffquellen für den späteren Reichtum und die Ausweitung der Handelsimperien der Familien Fugger und Welser). Die 23 Seiten, die es umfasst, können beim ersten Besuch kaum alle ausgefüllt werden, so viel gibt es zu bestaunen, daher gibt es beim Verlassen des Museums einen Stempel ins Heft, der dazu berechtigt, noch bis zu 2 Mal wiederzukommen bei kostenlosem Eintritt, und die Lücken dabei noch zu füllen.
Interaktive Zeitreise
Und was es alles zu tun gibt: Altdeutsche Schriften nachahmen, rechnen und umrechnen in alten Währungen, Handelszeichen prägen, alte Maßeinheiten nachmessen, Warenströme und Kontinente zuordnen, usw. Das Heft greift sehr vielseitige Punkte auf, die es auch den Kindern leicht machen, die manchmal doch komplexen Zusammenhänge zu verstehen, und wir reden hier von nicht weniger als den Anfängen der Globalisierung, wie wir sie heute noch verspüren und nur weiter fortsetzen, und von den ersten wirklich großen, bedeutenden „Konzernchefs“ mit Visionen, Mut und Geschäftssinn, nur eben damals noch im Verbund der Patrizierfamilien organisiert.
Der absolute Hit bei unseren Kindern war das Spiel am Bildschirmtisch, bei dem sie mit den Spielfiguren zuerst Erz virtuell abbauen und dann über Holland und Portugal auf den alten Seewegen sicher und ohne gefährliche Zwischenfälle mit Piraten, Stürmen und Seeungeheuern zum Handelsplatz in Indien verschiffen mussten, um dort im Gegenzug schnellstmöglich neue Waren und Rohstoffe aufzunehmen, über die selbe Route zurück nach Europa und dort zur Warenbörse zu transportieren, damit die Schiffe gleich wieder die nächste Ladung Erz aufnehmen können, und das alles in nur 3 Minuten voreingestellter Spielzeit pro Runde und auf der Jagd nach dem Highscore. Wie im echten Wirtschaftsleben – Zeit ist Geld!
Wir haben jedenfalls sehr viel Neues gelernt und dabei auch noch jede Menge Spaß gehabt in dieser interaktiven Ausstellung, und der Name „Erlebnismuseum“ steht hier verdient im Titel.
Parken direkt am Museum ist leider nicht möglich, zu eng sind die Gassen und ein großer Parkplatz würde den Charme des Viertels erheblich schmälern, trotzdem solltet ihr euch einen Besuch des Fugger und Welser Erlebnismuseums nicht entgehen lassen.
Dank eines Aufzuges ist alles barrierefrei zugänglich; wir empfehlen den Besuch jedoch ab etwa dem Grundschulalter, damit die Eltern auch Zeit haben, alles in Ruhe für sich zu entdecken, weil die Kinder ja gut beschäftigt sind, sobald sie lesen und ein Touchpad bedienen können. Den Museums-Standard-Satz „Mama, wann gehen wir endlich?“ haben wir nämlich nicht gehört, deshalb: alle Daumen hoch für dieses außergewöhnliche Konzept!
Bis zum nächsten Mal, eure Familie Walter