„Nie siehst du dasselbe Wasser“ – mit Bert Brecht auf den Spuren der historischen Wasserwirtschaft in Augsburg

von Augsburg Blogger

Jeden ersten Sonntag im Monat ist Augsburger Wassertag.

Von Mai bis Oktober bietet Augsburg die unterschiedlichsten Führungen zum Thema Wasser an. Augsburg bewirbt sich als UNESCO Welterbe mit dem Thema Wassersysteme.

Die Trennung von Trinkwasser und Brauch- bzw. Abwasser war ein Quantensprung im Mittelalter, den Augsburg schon früh meisterte. Da über 150 km Kanäle und Bäche die Stadt durchziehen, hat man die Qual der Wahl, welche Denkmäler, Wasserwerke oder Museen man besichtigen will.

An diesem heißen Juni-Sonntag entscheiden mein Mann und ich uns für eine Führung am Wasser, unter dem Schutz der schattigen Bäume, begleitet von Wasser-Gedichten und Erzählungen des Augsburgers Bert Brecht. Wir haben es nicht bereut.

 

 

Treffpunkt ist der historische St. Jakobs-Wasserturm, ganz nah bei der sogenannten „Kahnfahrt“.

Dieser Turm versorgte bis 1879 die nördliche Jakober-Vorstadt mit Trinkwasser.

Unser Guide Kurt zitiert aus dem Tagebuch vom damaligen Star-Architekten Elias Holl: „Heute zwei Türme gebaut. …sein schön und zierlich gemacht“. So schnell ging das damals noch mit städtischen Bauten.

 

 

 

 

 

Auf der Brücke des Stadtbaches genießen wir den Blick auf das grüne Wasser und das Gemäuer der alten Bastion und gehen ein Stück die Kastanienallee entlang, genau wie Bert Brecht sie beschrieb: „Vorbei an meinem väterlichen Haus führte eine Kastanienallee entlang dem alten Stadtgraben…“ Gerne lauschen wir der Lyrik Brechts an authentischem Ort.

Ein paar Schritte weiter biegen wir rechts ab durch ein Wohngebiet und stehen plötzlich auf den Schienen der Augsburger Lokalbahn, die nur für die Fabriken gebaut wurde und ab und zu noch das über 40 km lange Schienennetz quer durch Augsburg befährt.

 

 

Ein Brückchen führt über einen Kanal zu einem alten, kleinen Kraftwerk. Eines von vielen, die bewohnt sind, aber immer noch Strom erzeugen und jetzt an die Stadtwerke liefern – anstatt wie früher die Räder für eine Feinspinnerei anzutreiben. Inzwischen ist die Fabrik abgerissen, und auf ihrem Grund steht jetzt eine moderne Wohnanlage mit dem Namen „Klein Venedig“, in Anspielung auf die durchplätschernden Wasser-Kanäle.

Eine riesengroße Turbine aus der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. zeugt hier von der einstmaligen Vergangenheit!

Turbinen ersetzten die alten Wasserräder und steigerten erheblich den Nutzeffekt der Wasserantriebskraft. Augsburg wurde damit zur Industrie- und Textilstadt. Und auch zur Arbeiterstadt. Dazu liest uns Kurt etwas aus Brechts Hauspostille vor.

Als wir weiter den Stadtgraben entlang wandern, raunt uns das Wasser zu: „Vielleicht begegnen wir uns wieder – aber da, wo du mich verlassen hast, triffst du mich nicht wieder.“ Oder war das doch Kurt?

Bei den Haindlschen Stiftungshäusern, in denen die Brechts zwei Stockwerke bewohnten, werden wir vom Hausmeister im Garten begrüßt. Kurt zitiert Brecht, wie der sich an seine Jugendzeit „in der Kolonie“erinnert und auch daran, „was ein Kind alles gesagt bekommt“. „Die vier Häuser der Kolonie sehen weiß aus in der Dämmerung. Die Arbeiter sitzen noch vor den dunklen Tischen im Hof…“ So wie wir jetzt auch.

Aber „Sonntagsspaziergang macht frisch“ so sagt man – darum bleiben wir nicht lange, gegenüber liegt schon die Kahnfahrt, wo sich Bert Brecht ab und zu ein Taschengeld als „Bootschupfer“ verdient haben soll.

Wir finden es total romantisch in dieser alten Stadtbefestigung aus dem 15. Jahrhundert und beschließen, nach der Führung hier Brotzeit zu machen.

Inzwischen wieder beim Wasserturm angekommen, bedankt sich Kurt bei den Führungsteilnehmern fürs Zuhören mit dem Brecht-Gedicht von Taoteking und der Lehre, „..daß das weiche Wasser mit der Zeit den harten Stein besiegt…“. Und wie schon bei Laotse:

Wir werden zum Schluß von Kurt bedankt, „daß wir ihm sein Wissen abverlangt“.

Gina Ulrici

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