Das Fischerstechen in Ulm – die Ritter (auf) der Donau

von Gastbeitrag
Aufmarsch an der Donau

…von Botschafter-Familie Walter:
Auf eine lange Tradition zurückblicken kann das sog. „Fischerstechen“ in Ulm, das mit kurzen Unterbrechungen seit dem 16. Jahrhundert besteht und mittlerweile im 4-jährigen Turnus als großes Spektakel auf der Donau von, mit und für die Bürger und Gäste gefeiert wird.

Zwei Termine sind jeweils dazu vorgesehen, am vergangenen Sonntag waren wir mit dabei. Wir wussten vorher nicht sehr viel darüber, außer dass es auf jeden Fall nass wird für die Teilnehmer.

Festzug

Festzug

Los ging es schon lange vor dem eigentlichen „Stechen“, nämlich mit einem bunten Umzug aus hunderten historisch gekleideten Teilnehmern, teilweise zu Pferd oder im Boot sitzend, das auf Rädern durch die Gassen gezogen wird. Manche erinnern mit ihren Uniformen an Soldaten und Gardisten, andere tragen lange Speere, Fahnen, Körbe oder Blumensträuße, alle aber historische Trachten und/ oder Kopfbedeckungen, die an die damaligen Zunft-Ordnungen angelehnt sind.

Parademarsch

Parademarsch

Lanzenträger

Lanzenträger

Mittendrin natürlich auch Musikkapellen, und ein paar Einzel-Figuren, die aus der Menge herausstechen: der König, Gaukler, der Ulmer Spatz und andere Lokalgrößen. Von Zeit zu Zeit stoppt der ganze Zug an einem der großen Plätze in der Stadt, und dann werden dort Tänze für die zahlreichen Zuschauer aufgeführt, ehe er sich wieder in Bewegung setzt. Er endet wieder beinahe dort, wo er angefangen hat: im Fischerviertel am Donau-Ufer, an deren beiden Seiten, also auch auf Neu-Ulmer Seite, große Zuschauertribünen aufgebaut waren.

Am Rathaus

Am Rathaus

Wer dort keinen Platz mehr fand, konnte dem Wettstreit auf dem Wasser auch direkt von der Uferböschung oder den Höhen der Stadtmauer aus zuschauen, da die Zugangsmöglichkeiten weiträumig abgesperrt waren und kontrolliert wurden, musste jeder Eintritt dafür zahlen, nur eben unterschiedlich viel je nach Komfortwunsch. Die Ehrengäste, Protagonisten und Veranstalter hatten Logenplätze auf schwimmenden Tribünen oder der „Ulmer Schachtel“ direkt auf der lebhaften Donau, und auch die Ansagerin kommentierte von dort aus. Aufgrund der großen Entfernung war sie leider nicht immer und von überall aus gut zu verstehen, was aber auch technisch bedingt sein mag. Am Wetter lag es jedenfalls nicht, die Sonne brannte heiß auf uns herunter, dass wir uns bald wünschten, doch mit den Pechvögeln, die beim Kampf über Bord gingen, tauschen zu dürfen.

Teilnehmer des Stechens

Teilnehmer des Stechens

Die Duelle finden nach ganz bestimmten, festgelegten Regeln statt nach einer überlieferten Reihenfolge (Programme sind an den Kassen erhältlich). Auch die Paarungen der Stecher, überwiegend historische Gestalten, die tatsächlich mal Gegenspieler waren oder auch stadtgeschichtliche Originale, sind immer dieselben, mit Ausnahme des Überraschungspaares, das zeitgenössische Personen aufs Korn nimmt.

Mini-Zille

Mini-Zille

Von beiden Ufern aus startet je ein ca. 10 m langes flaches Boot, „Zille“ genannt, auf das Zeichen der Ansagerin und unter der musikalischen Begleitung verschiedener Märsche und Fanfarenstöße sowie den Anfeuerungsrufen der Zuschauer zur Flussmitte, gesteuert und gelenkt von je drei Schiffern in weiß. Am hinteren Ende der Zillen steht (barfuß!) jeweils ein Duellant mit dem Stecherspeer bereit und wartet auf den richtigen Moment, wenn sich die Boote nahe genug sind, um den Gegner, der von der anderen Seite auf ihn zusteuert, mit einem geschickten Stoß von seinem Standplatz in die kühle Donau zu werfen oder ihm zumindest einen solchen Schubs zu versetzen, dass er seinen Speer verliert oder nach hinten ins Boot tritt, denn auch das gilt als verloren bzw. nass geworden. Der Jubel der Fans ist ihm ebenso gewiss wie deren Enttäuschung, wenn der bevorzugte Favorit selbst ins taumeln gerät oder gar ins Wasser stürzt und von seiner Zillen-Besatzung wieder herausgefischt werden muss (oder auch „sie“, schließlich besteht eine der Paarungen aus Bauer und Bäuerin -> die allerdings von einem verkleideten Mann dargestellt wird, schließlich war es ursprünglich ein Fastnachtsbrauch).

Auf geht's zum Stechen

Auf geht’s zum Stechen

Beim nächsten Mal startet der Sieger dann von der anderen Donauseite, ins Finale kommt, wer in der Haupt- und den Zwischenrunden am öftesten trocken bleibt. Das kann sich schon eine ganze Weile hinziehen, wir standen fast 2 Stunden bis zur Siegerehrung, und davor auch schon 30 min, um überhaupt einen guten Platz weit vorne mit guter Sicht aufs Geschehen zu bekommen. Zum Glück hatten wir uns genügend Trinken mitgenommen und zuvor ausgiebig in der malerischen Altstadt auf der Insel zwischen der Großen und der Kleinen Blau zu Mittag gegessen!

Das Schwörhaus

Das Schwörhaus

Die Ansagerin hat jeden Kampf, jede Paarung und die Regeln immer erklärt, aber wer sich zuvor nicht einigermaßen mit der Geschichte der Figuren und dem Reglement beschäftigt hat und dies nicht hört, für den wird es irgendwann etwas eintönig, weil sich alles wiederholt, und einige mit kleineren Kindern, die dann quengelig wurden und Langeweile bekamen, sind dann auch einfach schon nach ein paar Duellen wieder gegangen. Man muss sich also schon anstecken lassen vom Enthusiasmus und der Begeisterung der Ulmer, für die das ein fixer Termin im Jahresplan ist, dann entwickelt man auch durchaus Sympathien für die ein oder andere Figur und fiebert mit.

Gewonnen hat übrigens am Sonntag hochverdient der Ulmer Narr in den Stadtfarben, und damit letztlich der Spaß für alle, denn er hat vor Beginn schon fleißig als Einheizer auf Ulmer Seite fungiert und für Stimmung gesorgt bei den Zuschauern. Er hat nun am kommenden Sonntag, 23.07.2017, die Möglichkeit auf den Gesamtturniersieg beim zweiten Fischerstechen in Ulm im Rahmen des Schwörfestivals, deshalb: hingehen und anfeuern!

Zunfthaus-Schild

Zunfthaus-Schild

Beim Schwörwochenende wird euch übrigens noch viel mehr geboten, zum Beispiel die Lichterserenade mit Feuerwerk, Konzerte oder das „Nabada“, ein Umzug auf der Donau, ein Vergnügen für Jung und Alt, ob als Zuschauer oder aktiver Teilnehmer auf einem selbst entworfenem (hoffentlich) schwimmtauglichen Motto-Boot, dekorierten Schlauchbooten, Flößen, Schwimmreifen, etc. und natürlich eine quirlige Stadt.

Zunfthaus mit Münsterspitze

Zunfthaus mit Münsterspitze

Unser Weg hat uns nach diesem lustigen Nachmittag allerdings nur noch in die nächste Eisdiele geführt, vorbei an den wunderschön geschmückten alten (Zunft-) Häusern der Altstadt.

Noch ein Tipp zum Schluss: Sonn- und Feiertags ist das Parken in den Ulmer City- Parkhäusern zum Einheitstarif von nur 3 Euro/ Tag möglich, also wenig Geld für ganz viel Zeit!

Bis zum nächsten Mal, eure Familie Walter

 

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